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Stiftung des Siegmund Seligmanns an den Magistrat der Stadt Verden
oder auch:
Gutes tun ist gar nicht so einfach

von Bärbel Ebeling

Siegmund Seligmann kündigte am 20. März 1914 seiner Heimatstadt Verden eine Stiftung in Höhe von 10.000,-- Mark an.
Ein halbes Jahr später, am 21. September 1914 antwortete Siegmund Seligmann dem Bürgermeister von Verden, Herr Wilhelm Schorcht, dass „ich Ihnen separat per Postscheck den für meine Schenkung zur Verfügung gestellten Betrag von Mk. 10.000,--“ (überweise).
Am 28. September ging eine Danksagung der Stadt an den Spender.

Ob der Stifter ahnte, welchen Verwaltungsakt er mit seiner Stiftung auslöste?

Hier ein Auszug aus der Chronologie:

20. März 1914
Herr Kommerzienrat Seligmann – Hannover erklärte, dass er der Stadt Verden ein Kapital von 10000 M „schenkweise zu mildtätigen Zwecken unter den verlesenen Bedingungen vom 20. März 1914“ zur Verfügung stellt. Die Stiftung wurde in beiden Kollegien einstimmig mit Dank angenommen und es sollte dazu die „Allerhöchste Genehmigung“ erbeten werden.
Die Schenkungserklärung, datiert vom 20. März 1914, besagte, dass die Stiftung „zur Unterstützung verschämter Armer&ldq“ dienen solle:
„Ich biete hiermit der Stadt Verden, meiner Vaterstadt, schenkweise ein Kapital von M 10 000,--, geschrieben zehntausend Mark, zu milden Zwecken an und bestimme für den Fall der Annahme der Schenkung des Näheren das Folgende:
1.)
Das Kapital soll unter dem Namen Siegmund Seligmann-Stiftung in den Stadtrechnungen aufgeführt und dauernd in seiner Höhe erhalten werden.
2.)
Das Kapital ist von dem Magistrat zu verwalten und mündelsicher zinslich zu belegen.
3.)
Die aufkommenden Zinsen hat der Magistrat nach seinem alleinigen Ermessen zu verwenden zur Unterstützung von Familien oder Einzelpersonen – ohne Rücksicht auf die Konfession derselben - , welche bedürftig sind oder sich in einer augenblicklichen Notlage befinden, welche aber die öffentliche Armenpflege noch nicht in Anspruch genommen haben, und von denen auch nicht zu erwarten steht, dass sie der öffentlichen Armenpflege anheim fallen werden. Die Unterstützten müssen Einwohner der Stadt Verden sein.
4.)
Der Kämmereikasse gegenüber bedarf es keiner Quittung der bedachten Person; es genügt vielmehr die Bescheinigung eines Magistratsmitgliedes, dass er die betreffende Summe zur Verwendung im Sinne der Stiftung erhalten habe.
5.)
Sollten ausnahmsweise in einem Jahre nicht alle Zinsen verwendet sein, so kann der Ueberschuss nach Wahl des Magistrats im folgenden Jahre mit verwendet oder dauernd dem Kapital zugelegt werden,
Hannover, den 20. März 1914
gez. Siegmund Seligmann“

25. März 1914
An diesem Tag wurde in einer gemeinsamen Sitzung des Magistrats und der Bürgervorsteher über die Stiftung von Siegmund Seligmann unter Punkt 9. „verhandelt und beschlossen“.

26. März 1914
Der Magistrat sandte ein Schreiben an den Stifter mit, „dass die staatlichen Kollegen (Magistrat und Bürgerrat), denen die Stiftungsbedeutung bekannt gegeben sind, ihre freudige Zustimmung zur Annahme der Stiftung erteilt haben, so dass ich beauftragt worden bin für Hochwohlgeboren den besten Dank der herzlichsten höchst ehrenhaften Versprechungen, was ich hiermit tue.“
Der Magistrat der Stadt Verden schrieb am 26. März 1914 vertraulich an den Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt in Hannover: &„Herr Kommerzienrat Siegmund Seligmann dortselbst (Hannover) will Verden, seiner Vaterstadt, 10000 M zu mildtätigen Zwecken schenken. Damit wir die Allerhöchste Genehmigung zu der Stiftung erbotten können, ersuchen wir ergebenst um die entsprechenden Mitteilungen über Familien- und Vermögensverhältnisse des Spenders, wie sie vom Ministerium generell verlangt werden.“

28. März 1914
Dieser Brief kam am 28. März 1914 urschriftlich zurück mit dem Hinweis: Herr Kommerzienrat Seligmann, Direktor der weltbekannten „Continental“ gehört zu den angesehensten und wohlhabendsten Bürgern unserer Stadt.“

3. April 1914
Am 3. April 1914 schrieb das Königlich Preußische Stempel- und Erbschaftssteueramt in Hannover an den Magistrat der Stadt Verden: „Der Kommerzienrat Seligmann in Hannover hat den Armen der Stadt 10 000 M geschenkt. Im Reichsstempelinteresse ersuche ich ergebenst um Anmeldung dieser Zuwendung“ und schickte gleich das entsprechende Formular mit.

8. April 1914
Der Verdener Magistrat berichtet nach Stade, dass die Antwort aus Hannover über die Verhältnisse von Siegmund Seligmann sehr dürftig ausgefallen sind, man aber „aus unserer Kenntnis“ wisse, dass dieser ein sehr reicher Mann sei, der einen Sohn habe,der unter ihm Mitdirektor sei.“ Weiter heißt es, dass durch die Stiftung kein Verwandter übergangen wird und sich Siegmund Seligmann auch entfernteren Verwandten „in besonders ergiebigem Maße“ angenommen hat.

19. Mai 1914
Der Magistrat teilte Herrn Seligmann das Prozedere für die Stiftung mit. Dieser hatte sich zwischenzeitlich mit den Vorschlägen des Magistrats einverstanden erklärt.

Am 01. August 1914
erklärte Deutschland Russland den Krieg. Für das Land der Beginn des 1. Weltkrieges.


25. August 1914
Die Schenkung wurde auch zu einem Fall für das Königlich-Preußische Stempel- und Erbschaftssteueramt in Hannover. Am 25. August 1914 erfolgte die Anfrage, ob die „Allerhöchste Genehmigung erteilt wurde“ und man bittet um eine Abschrift. Dieses Schreiben wurde vom Magistrat der Stadt Verden am 02. September 1914 beantwortet.

28. August 1914
Zunächst musste der König in Person des Staatsministeriums gefragt werden, ob man die Spende annehmen dürfe. Die Genehmigung kam am 28. August 1914 aus Berlin „Auf Grund Allerhöchster Ermächtigung Seiner Majestät des Königs. Das Staatsministerium“.

08. September 1914
Diese Genehmigung ging aber zunächst an den Regierungs-Präsidenten in Stade, der sie mit Schreiben vom 08. Spetember 1914 an den Magistrat der Stadt Verden weiterleitete.

15. September 1914
Der Magistrat informiert Siegmund Seligmann darüber, dass eine notarielle Urkunde über die Stiftung nicht notwendig ist.

26. September 1914
Der Magistrat teilte mit, dass er die Genehmigung zur Annahme der Stiftung erhalten habe und auch der Betrag eingegangen sei. Er bittet um Information zu der zu entrichtenden Abgabe.
Der Verdener Kämmerer erhält die Nachricht über die Stiftung des Siegmund Seligmann und da der Betrag bereits eingegangen ist, dieser bei der Sparkasse der Stadt Verden sofort verzinslich anzulegen sei. Die Zinsen seien zu Weihnachten auszuzahlen, damit sie den Begünstigten zur Verfügung gestellt werden können.

28. September 1914
Am 28. September ging eine Danksagung der Stadt an den Spender - mit dem Zusatz: „Die nötigen Verwaltungsvorschriften sind gegeben.“

26. Oktober 1914
Der Kämmerer der Stadt Verden erhält den Bescheid, dass auf die Stiftung 500,-- Mark Schenkungssteuern bis zum 23. November 1914 bar bei der königlichen Zollkasse einzuzahlen sind. Der Betrag wird vom Königliche Stempel- und Erbschaftssteueramt Hannover beansprucht. Noch einmal wiederholt: Es handelte sich um eine Schenkung! In den Akten wird über eine „steuerliche Schenkung“ gesprochen. Es gibt in den Unterlagen auch eine ausführliche „Anleitung zur Anmeldung und weiteren Behandlung eines steuerlichen Erwerbs von Todes wegen und einer steuerpflichtigen Schenkung unter Lebenden“.

Wer sich den entsprechenden Schriftverkehr (in dem damals üblichen Amtsdeutsch) ansehen möchte,
findet ihn im Verdener Stadtarchiv unter der Signatur Rep. II Mag. S. VIII 28,1.



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Bärbel Ebeling

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