Verdener Familienforscher e.V. |
Anita Augspurg wurde am 22.09.1857 in Verden geboren. Ihre Eltern waren der Landgerichtsrat und Notar Wilhelm Augspurg, geb. ca 1810 in Kassel und seine Frau Augustine, geb. Langenbeck. Wilhelm Augspurg war zuvor als Rechtsanwalt in Bremen-Lesum tätig gewesen und erhielt 1852 in Verden Bürgerrecht. Seine Frau ist bei der Geburt von Anita bereits über 40 Jahre. Ihr Vater war Landarzt in Bremervörde. Augustine Augspurg selbst war Hausfrau. Anita war das jüngste Kind des Ehepaares und hatte vier ältere Geschwister: Ernestine Louise Auguste , *18.03.1842 in Bremen-Lesum wird Lehrerin in Verden, eröffnet später eine Schule in Kassel Amalie Marie Wilhelmine Friederike *05.08.1844 in Bremen-Lesum +23.09.1899 in Dresden eröffnet in Dresden eine Malschule Wilhelm Edouard *19.10.1847 in Bremen-Lesum wandert als Landwirt nach Amerika aus Diedrich Wilhelm Julius, *09.08.1850 in Bremen-Lesum wandert als Kaufmann nach Amerika aus Obwohl Anita Augspurg 4 Geschwister hatte, wuchs sie mehr als Einzelkind auf, da ihr jüngster Bruder 7 Jahre älter war als sie. 1873 endete ihre Schulzeit. Für Mädchen gab es keine weiterführende Schulausbildung. Ein Studium war für sie daher nicht möglich. Zunächst arbeitete sie in der Anwaltskanzlei ihres Vaters, wo sie aber nur untergeordnete Tätigkeiten ausführen durfte. Ihr nächster Schritt führte sie nach Berlin. Sie besuchte ein Lehrerinnenseminar, die einzige gesellschaftlich akzeptierte anspruchsvollere Ausbildungsmöglichkeit für bürgerliche Frauen der damaligen Zeit. Es folgte Schauspielunterricht, dem sich einige kleinere Engagements anschlossen. Nachdem sie volljährig und durch eine Erbschaft finanziell unabhängig war, verlief ihr Leben für die herrschende Zeit ausgesprochen unkonventionell. Es zog sie nach München. Dort eröffnete Anita Augspurg nach einer Ausbildung zur Fotografin gemeinsam mit ihrer Freundin Sophie Goudstikke in der Von-der-Tann-Straße 15 das „Hofatelier Elvira“, das für die beiden Frauen sowohl künstlerisch als auch kommerziell ein Erfolg wurde. Auch dabei gehen sie eigene Wege und stellen Frauen, anders als damals üblich, u.a. am Schreibtisch sitzend dar. Durch ihr Auftreten, ihre für damalige Verhältnisse sehr auffallenden Kurzhaarfrisuren, ihren für Damen extrem ungewöhnlichen Kleidungsstil (Reformkleidung) und ihren freien Lebensstil erregen Augspurg und Goudstikke Aufsehen – und kamen mit ihrem Atelier „in Mode“. Seit den1890er Jahren setzte sich Anita Augspurg öffentlich für die Frauenbefreiung ein. So ging es ihr u.a. um die Bildungsmöglichkeiten für Mädchen und das Recht auf akademische Bildung für Frauen. Sie kämpfte gegen das Verfügungsrecht von Ehemännern über das Vermögen ihrer Frauen und über die gemeinsamen Kinder, sowie für die Abschaffung des § 218. Erst 1991 wird dieser Paragraf aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Um für das Einwirken auf eine Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches und damit verbunden eine verbesserte Situation der Frauen, gewappnet zu sein, ging sie mit 36 Jahren nach Zürich, um Jura zu studieren. In Deutschland wäre das zu dieser Zeit als Frau nicht möglich gewesen. 1896 lernte Anita Augspurg auf der Internationalen Frauenkonferenz in Berlin ihre spätere Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann kennen. Ein Jahr später ist sie die erste promovierte Juristin Deutschlands und kehrte nach Berlin zurück, um sich weiter auf vielen verschiedenen Ebenen radikal für die Rechte der Frauen einzusetzen. Sie studierte erneut, dieses Mal Landwirtschaft an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin. Sie kaufte einen Großgrundbesitz in Bayern, der nur mit weiblichem Personal betrieben wurde. Landwirtschaft und Pferdesport gehörten zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Als 1918 die Novemberrevolution endlich auch das Frauenstimmrecht mit sich brachte, war Anita Augspurgs Begeisterung grenzenlos. Ihr eigentlicher Lebensinhalt blieb aber weiterhin die gesetzliche, gesellschaftliche und politische Befreiung der Frau. 1902 gründete sie in Hamburg den „Verein für Frauenstimmrecht“, denn dieses war der einzige Bundesstaat, dessen Vereinsrecht den Frauen Erörterungen politischer Fragen in der Öffentlichkeit erlaubte. Die damaligen Vereinsgesetze waren streng: „Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge dürfen politischen Vereinen nicht angehören, welche beabsichtigen, öffentliche Angelegenheiten in Versammlungen zu erörtern.“ Auch Völkerverständigung und -versöhnung waren für sie gerade während der Kriegsjahre sehr wichtige Themen. 1915 fand in Den Haag unter der Führung von Anita Augspurg eine Frauenkonferenz mit dem Titel „Für Frieden und Freiheit“ statt. Im Rahmen der weltweit stattfindenden Konferenzen der Frauenbewegung war sie u.a. in Irland. Dazu findet sich der Nachweis, dass sie auch in Irland war: Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann aus München (Deutschland) sind am 30 Juni 1926 mit dem Schiff „President Roosevelt“ von Bremen nach Queenstown (Cork), Irland gefahren. Anita Augspurg war eine der wenigen Frauen, die im 1. Weltkrieg nicht einer Kriegseuphorie verfiel, sondern sie setzte sich für den Frieden ein. Diese Einstellung brachte ihr ein Redeverbot ein. Zusätzlich wurde ihre Korrespondenz kontrolliert. Da im Kaiserreich allein der Ehemann über Vermögen, Wohnort und Berufstätigkeit seiner Frau entschied, forderte Augspurg öffentlich einen Eheboykott seitens der Frauen. Wer sich unbedingt mit einem Manne verbinden wolle, solle dies in „freier Ehe“ tun, also ohne Trauschein. Mit diesem Appell löste sie einen Skandal aus. Viele konservative Frauen(gruppen) lehnten ihre Ideen ab. 1927 machten Anita Augsburg mit 70 Jahren und Lida Gustava Heymann mit 60 Jahren ihren Führerschein und waren fortan mit einem eigenen Auto unterwegs. Augspurg und Heymann bekamen die antisemitische Hetze und die Gewalttätigkeit der Nationalsozialisten in München früh zu spüren. In ihren Erinnerungen schildern die beiden Frauen, wie 15 mit Schlagringen und Knüppeln Bewaffnete in eine Mitgliederversammlung eindrangen. Dabei wurde eine Frau so schwer verletzt, dass Augspurg und Heymann sich entschlossen, direkt gegen Adolf Hitler vorzugehen. An der Spitze einer Frauendelegation sprachen sie beim bayerischen Innenminister Franz Schweyer (BVP) vor und forderten von ihm die Ausweisung Hitlers. Diese Aktion blieb erfolglos, und noch im selben Jahr unternahm Hitler seinen Putschversuch. Am Tag von Hitlers Machtergreifung 1933 befanden sich Heymann und Augspurg auf einer Auslandsreise. Sie kehren nicht nach Deutschland zurück, sondern blieben in der Schweiz. Zunächst lebten sie in Genf, später dann in Zürich. Da ihr Vermögen in Deutschland konfisziert wurde, lebte das Paar unter schwierigsten Bedingungen von publizistischen Tätigkeiten und von der Unterstützung durch Freundinnen aus der internationalen Frauenbewegung. Am 20.10.1943 starb Anita Augspurg im Exil in Zürich - nur fünf Monate nach ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann.
PAZIFISTINNEN FÜHRERINNEN DER
Der um den Stein laufende Text lautet: AnmerkungAnita Augspurg war ihrer Zeit weit voraus. Einige ihrer Forderungen erfüllten sich im Laufe der Jahre, z.B. das Frauenstimmrecht 1918. Andere Veränderungen, für die sie sich eingesetzt hatte, erlebte sie nicht mehr.Erst seit 1949 steht im deutschen Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Im Mai 1957 beschloss der Deutsche Bundestag das „Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts“, das sogenannte Gleichberechtigungsgesetz. Verheiratete Frauen durften laut Gesetz nur dann arbeiten gehen, wenn ihre Arbeit „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Die Entscheidung darüber traf der Ehemann, ohne dessen Zustimmung eine verheiratete Frau nicht arbeiten durfte. Er unterschrieb auch den Arbeitsvertrag mit. Das ging bis in die 1970er Jahre. Es gab die sogenannten „Leichtlohngruppen“. Auch wenn eine Frau dieselbe Arbeit verrichtete wie ein Mann, bekam sie dafür oft deutlich weniger Geld. Ein (aus heutiger Sicht) Kuriosum: Wer kann sich jetzt noch vorstellen, dass Französinnen sich strafbar gemacht haben, die vor dem 31. Januar 2013 in ihrem Heimatland in der Öffentlichkeit Hosen trugen? Denn bis zu diesem Tag galt in Frankreich die „Verordnung zur Bekleidung der Frauen“ vom 7. November 1800, nach der es Frauen verboten war, Hosen zu tragen. Dies sind nur einige Beispiele für die Arbeit der Frauen(rechts)bewegung, die heute als Feminismus bezeichnet wird.
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