K r i e g s n a g e l u n g / K r i e g s s a m m l u n g
Als Kriegsnagelungen werden hunderte von Aktionen in Österreich-Ungarn und im
Deutschen Kaiserreich bezeichnet, bei denen während des Ersten Weltkriegs
gegen eine Spende ein Nagel in ein dafür aufgestelltes hölzernes Objekt
eingeschlagen wurde. Das ab 1915 massenhaft einsetzende Phänomen ging von
der Nagelung der Skulptur eines Wehrmanns in Eisen in Wien (s. Foto links) aus. Weitere Objekte
waren unterschiedlich ausgeprägt und wurden als Nagelfigur, Nagelmann,
Nagelbild, Nagelbrett, Nagelkreuz, Nagelsäule, aber auch als Eiserner Michel,
Wehrschild oder Kriegswahrzeichen bezeichnet.
An den Nagelungen beteiligten sich im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen mit
feierlichem Charakter breite Bevölkerungskreise. Parallel dazu erfolgten in
Schulen unter Beteiligung von Schülern Schulnagelungen. Die dadurch eingenommenen
Gelder dienten der Unterstützung von Kriegsopfern, wie Hinterbliebenen und
Verwundeten. Die Einnahmen im geschätzten einstelligen Millionenbereich an
Mark waren eher nicht entscheidend für den Erfolg der Nagelungen. Weit bedeutender
war ihre propagandistische Wirkung, da sie den Patriotismus und das Gemeinschaftsgefühl
der Menschen ansprachen und so zur Stärkung der Heimatfront beitrugen.
Ähnliche Nagelungen in kleinerem Umfang gab es weltweit in Staaten und Regionen,
in denen deutschstämmige Minderheiten oder deutsche Auswanderer lebten.
Idee und Motivation
Die Idee der Kriegsnagelungen ging in Anlehnung an den Stock im Eisen in Wien aus.
Dieser älteste erhaltene Nagelbaum, 1533 urkundlich, geht auf einen seit dem
Mittelalter bekannten glückbringenden Brauch in der Donaumonarchie und in
Südosteuropa zurück, der anfangs vielleicht gegen Krankheiten als Votivgabe am
Dorfrand, ab dem 18. Jahrhundert hauptsächlich unter Reisenden und Fahrenden
gepflegt wurde. Ursprünglich wurden wohl lebende Bäume benagelt, und allfällig
nach dem Absterben stehengelassen. Nach dem Muster dieses im Bewusstsein
der Wiener Bevölkerung sehr präsenten Denkmals wurde der erste Wehrmann im Eisen
gestaltet, die Idee dazu stammte von Korvettenkapitän Theodor Graf Hartig.
Von dort verbreiteten sich diese Spendenbeschaffungen nicht nur in Österreich-Ungarn,
sondern auch rasant im Deutschen Kaiserreich und anderen Ländern.
Durch die geschickte Vermarktung mit den Andenken an diese Spende und dem
aus der anfänglichen Kriegseuphorie entstandenen Drang von Menschen, die nicht
mit der Waffe an die Front konnten oder durften, etwas zum Sieg beizutragen,
wurden zum Teil große Summen zugunsten der Kriegerwitwen und Waisen gesammelt.
Im Verlauf des Krieges sollten solche Aktionen den Durchhaltewillen der Bürger
stärken. Wer sich an dieser Spendenaktion nicht beteiligte, riskierte, von
seinen Mitbürgern als unpatriotisch oder gar Vaterlandsverräter eingestuft zu werden.
Kriegsnagelungen wirkten als:
- gemeinschaftsstiftende Aktion, um Risse im sozialen Gefüge zu verdecken und die
Volksgemeinschaft nach außen sichtbar zu machen. Eine ähnliche Funktion hatten auch
andere Veranstaltungen, wie in Deutschland Festlichkeiten zum Kaisergeburtstag oder
Feiern zum Sedantag.
- patriotischer Akt, bei dem die Teilnehmenden ihre Siegeszuversicht, das Vertrauen
in die politische und militärische Führung sowie ihre Opferbereitschaft
zeigen konnten. Die Beteiligten zeigten durch den Akt des Nagelns ihre vaterländische
Gesinnung.
- Akt der Kraftübertragung in die hölzerne Unterlage durch Hammerschläge.
Mit den zum Teil heftig und mit Inbrunst ausgeführten Schlägen konnte sinnbildlich
der Eindruck entstehen, dass die Schläge dem Feind galten, um ihn zu zertrümmern.
Derartige Aussagen enthalten zu Nagelungen verfasste Gedichte, wie "Damit wir zerschmettern
mit wuchtigem Streich. Die Feinde ringsum. Für Kaiser und Reich."
- Kriegswahrzeichen, aus dem ein Fetisch mit magischer Bedeutung wurde. Den
Nagelungsobjekten wurden zum Teil übernatürlichen Eigenschaften zugesprochen, so
dass Menschen eine persönliche Beziehung zu den genagelten Objekten entwickelten.
- Akt der Selbstbeschwörung, da das Vaterland den Krieg nicht verlieren könne,
wenn so viele Menschen durch das Nageln ihre Opferbereitschaft zeigten, um den Sieg
zu erringen.
- Gelübde der Menschen, die nicht an der Front kämpften und sich einsetzen
wollten, um den Sieg zu erringen.
- Ehrung der im Krieg Gefallenen in der Vorwegnahme von Kriegerdenkmalen, die beim
Aufkommen der Nagelungen 1915 noch nicht aufgestellt waren.
Praxis
Von Gemeinden und karitativen Organisationen wurden aus Holz, einige deutsche Quellen erwähnen
Eichenholz, gefertigte Figuren (Ritter, Soldaten, Generalfeldmarschall
von Hindenburg und andere) beziehungsweise regionale und nationale Symbole wie
beispielsweise Stadtwappen, Eiserne Kreuze, Säulen aufgestellt. Diese Figuren wurden
oft von namhaften Künstlern entworfen und geschaffen. Gegen Entrichtung einer
Mindestspende durften die Bürger einen Nagel in dieses Objekt schlagen. Die Nägel
wurden in Eisen und Silber, manchmal auch Gold zu unterschiedlichen Preisen angeboten.
Die Nägel waren teilweise auch vergoldet oder versilbert, ihr Materialgegenwert war
jedoch stets wesentlich geringer als die dafür zu leistende Spende. Zum Beweis für
ihre "patriotische Spende" erhielten die Spender je nach Ort und Höhe der Spende
Anstecknadeln, Urkunden oder sonstige Spendenbescheinigungen, die oft mit einer
laufenden Nummer versehen waren.
Mit Kriegsende wurden die Statuen entfernt. Manche von ihnen wurden später
wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
(Quelle: Wikipedia)
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