"Wegen der bevorstehenden Auflösung der Präparandenanstalt hat das Provinzial-Schul-Kollegium
den Termin der mündlichen Abgangsprüfung diesmal möglichst früh und zwar auf den
9. und 10. Februar gelegt. Zum 1. April werden die Anstaltsgebäude dem Orte wieder
zur Verfügung gestellt werden, und damit wird die Anstalt zu bestehen aufgehört
haben. Einige Nachrichten über ihre äußere Entwicklung finden daher gewiss auch
im Kreise der Leser unserer Kreiszeitung Interesse.
Am 1. Mai d. Js. Werden es 48 Jahre sein, dass die Präparandenanstalt in dem
ehemals Leefhelmschen Hause auf dem Willenberg eröffnet wurde. 1570 Schüler haben
die Anstalt seitdem besucht, 28 Lehrer sind an ihr vollbeschäftigt - also nicht
im Nebenamte - tätig gewesen.
Leiter der Anstalt war von 1874 - 1901 der später
nach Hannover verzogene, jetzt 87jährige Präparandenanstaltsvorsteher a. D. Grelle,
den diese Zeilen freundlichst grüßen mögen, von 1903 ab der jetzige Kreisschulrat
Meyerholz. Von den Lehrern haben am längsten an ihr gewirkt die Präparandenlehrer
Decker-Aurich, von 1885 bis 1906, der Seminarlehrer Krigar-Hameln, von 1888 - 1921,
und der hier verstorbene Präparandenlehrer Kruse von 1906 - 1919.
Über die
Geschichte der Anstalt in ihren ersten 25 Jahren berichtet das im Verlage der
Schröderschen Buchdruckerei erschienene Büchlein „Geschichtliches aus der Grafschaft
Diepholz" von Superintendent Stölting. Auf dem Willenberge ist die Anstalt 11 1/2
Jahre verblieben; 1885 wurde das Gebäude an der Wilhelmstraße errichtet, zunächst
freilich nur für eine zweiklassige Schule. 1894 wurde der Anstalt die dritte Klasse
angegliedert. Die Vermehrung und Vergrößerung der Schulräume war von nun an
Erfordernis und wurde unumgänglich, als Ostern 1906 auf Anordnung des
Unterrichtsministers ein Nebenkursus eröffnet wurde und von den zur Aufnahmeprüfung
erschienenen 91 Prüflingen 67 für zwei Unterklassen aufgenommen werden konnten.
Die Bauangelegenheit hatte in den Jahren 1905 und 1906 bei den staatlichen
Behörden und der Ortsverwaltung fördersame Unterstützung gefunden, und die
baulichen Arbeiten waren infolgedessen nach den Sommerferien des Jahres 1906 so
weit gediehen, daß am 13. August der Unterricht mit nunmehr vier Klassen in vollem
Umfange aufgenommen werden konnte. Das Erdgeschoß des Anstaltsgebäudes enthielt
nun vier Klassenzimmer: im östlichen Flügel die beiden alten, im westlichen zwei
neue Klassen. Im Obergeschoß befanden sich außer der Aula, die unverändert geblieben
war, je ein Raum für Bibliothek und Lehrmittel, ein Zimmer für die Registratur
und ein Lehrerzimmer. Ostern 1907 wurde ein zweiter Nebenkursus eröffnet. Das
Lehrmittelzimmer im Obergeschoß musste daher zu einem Klassenzimmer hergerichtet
und für die Lehrmittel ein Aufbewahrungsraum auf dem Hausboden hergestellt
werden.
Im Schuljahre 1907/08 zählte die Anstalt 148 Schüler, die in fünf
Klassen von sieben vollbeschäftigten Lehrern unterrichtet wurden. Da die bisherige
Dienstwohnung des Vorstehers durch den Umbau des Anstaltsgebäudes in Wegfall
gekommen war, war in der Zeit vom Spätherbst 1905 bis zum Juli 1906 ein besonderes
Wohnhaus im Garten der Anstalt aufgeführt worden.
Die Nebenkurse bestanden bis
Ende 1909, bzw. 1910, sie wurden aufgehoben, weil der Lehrermangel durch die bis
dahin beschlossenen staatlichen Maßnahmen behoben war. Jetzt konnten die
freigewordenen Klassen räume bestimmungsgemäß ausschließlich für den Unterricht
der dreiklassigen Hauptschule in Zeichnen und Musik benutzt werden.
In stiller,
stetiger Arbeit hat die Anstalt von da bis zum Ausbruche des Krieges in der Gestalt,
die ihr durch die für das Lehrerbildungswesen geltenden Bestimmungen gegeben worden
war, ihre Sonderaufgaben ausrichten können. Wie von Anfang an, so hat sie auch in
diesen Jahren und nicht weniger in der Kriegszeit ihre Mitwirkung nicht versagt,
wo es sich in Diepholz um die Pflege idealen Lebens auf vaterländischem und
kirchlichem Gebiete handelte, oder wo es galt, hilfreiche Hand zu bieten in
Angelegenheiten verschiedenster Art, auch in Not und Gefahr im Orte.
Niemand aber
ahnte, als Schüler der Anstalt im September 1913 zweimal in Diepholz und dann auch
in Bassum Heyses Schauspiel „Colberg" aufführten, in einer Darstellung, die nach
einem Zeitungsberichte" zu einem harmonisch zusammenhängenden hohen Liede der
Vaterlandsliebe geworden war", dass diesem Spiele so bald blutigster Ernst folgen
sollte: von 21 Mitspielern, die später vom Seminar aus ins Feld zogen, sind vier
vor dem Feind geblieben; von den 6 Schülern, die - zum Teil noch nicht
17jährig, - unmittelbar von der Anstalt aus in das Heer eintraten, sind drei
gefallen. - Die lange Kriegsdauer mit ihren Folgen und der Kriegsausgang haben
dann freilich auch an der Verbindung zwischen Anstalt und Ort gerüttelt, und mit
dem Ende des Schuljahres wird sie ganz gelöst sein. In den Herzen eines großen
Teiles der Einwohnerschaft dürfte der Anstalt aber doch das Bürgerrecht gewahrt
bleiben, das sie in fast fünf Jahrzehnten des Mit- und Füreinander von Bürgern,
Lehrern und Schülern sich zu erwerben und zu erhalten stets bestrebt gewesen ist.
Bleiben wird auch bei den einstigen Anstaltsgliedern das Gefühl des Vertrauens
und der Zusammengehörigkeit, das sie jahrelang mit dem Ort und seinen Bewohnern
verbunden hat.
Was die Präparandenanstalt erfahren hat an verständnisvoller
Teilnahme an ihren fachlich begründeten Interessen, das hat Wiederhall gefunden
in vielen hunderten von Herzen, wird bewahrt in dauernder Erinnerung und
fruchtbringend weitergetragen in neue Beziehungen an anderen Orten in nachfolgenden
Zeiten; denn auch die Schätze des Zutrauens, der Achtung und Anhänglichkeit können
vererbt werden und werden vererbt."
DK Mi. 25. 01. 1922 [Lie 06.07.2009]
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